Das Glückspotenzial chinesischer Arbeitnehmer in deutschen Unternehmen in China

MBS China Happiness

Eine Studie zum Verständnis chinesischer Glücksvorstellungen

China ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner für Deutschland. Für deutsche Unternehmen sind Zweitniederlassungen und Tochtergesellschaften im Land der Mitte ein elementarer Teil der Wettbewerbsstrategie geworden. Eine große Herausforderung besteht neben dem Meistern von politischen Herausforderungen vor allem darin, die chinesischen Mitarbeiter erfolgreich und gewinnbringend in die Unternehmen zu integrieren. Um dies zu erreichen ist es fast unabdingbar, sich mit der jahrtausendealten Kultur Chinas zu beschäftigen. Aber auch moderne Einflüsse auf die heutigen Generationen sind relevante Faktoren, um das „Mindset“ der chinesischen Arbeitnehmer besser verstehen zu können.

  • Was bewegt, was verbindet sie?
  • Was motiviert, was ist wichtig für sie?
  • Und letztendlich, was macht sie glücklich?

Besonders dem kulturellen Rahmen, in dem sich die tägliche Arbeit abspielt, kommt vor dem Hintergrund der Glücksforschung eine entscheidende Rolle zu. Der Erfolgsfaktor Glück hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Mitarbeitermotivation, die Leistung sowie die Gestaltung der Unternehmenskultur. Glücklichere Mitarbeiter fehlen weniger und sind produktiver. Vor diesem Hintergrund ist es von besonderem Interesse, die aktuellen und historisch verankerten Glücksauffassungen in China zu analysieren. Ein Vergleich zu Europa kann dabei helfen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und ein grundlegendes Verständnis über den Erfolgsfaktor Happiness zu erlangen (siehe MBS Working Paper 01/2017). Darauf aufbauend ist es für das Management möglich, gezielt Maßnahmen abzuleiten, um das chinaspezifische Verständnis von Glück anzusprechen und die Arbeitsbedingungen und Anreize im Unternehmen entsprechend anzupassen.

Im Rahmen einer Studie an der MBS wurden 280 chinesische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in deutschen Unternehmen in China zum Thema Glück befragt. Hierbei ergaben sich interessante Denkanstöße für deutsche Führungskräfte in China. Der positive Zusammenhang von Glück und Unternehmenskultur konnte durch die Befragungen in mehreren Aspekten bestätigt werden.

Konfuzianische Werte

Vor allem Werte des Konfuzianismus sind immer noch von Relevanz für die Befragten. Die Aspekte Vertrauen, Lernen und Harmonie werden als sehr wichtig eingestuft und finden sich sowohl bei den Anforderungen an den Arbeitgeber, als auch bei den Glücksvorstellungen der Beschäftigten. Über 80 % der Befragten verbanden mit Glück persönlichen Lernzuwachs und Harmonie. Zudem spielt Vertrauen eine unersetzliche Rolle im Glücksverständnis der Befragten. Sowohl den Kollegen als auch den Führungskräften gegenüber möchten die Arbeitnehmer ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen. Die Studie ergab jedoch, dass fast jeder Zweite (49 %) mit dem Beziehungsnetzwerk (Guānxì) im Unternehmen nicht zufrieden ist, und 44 % der Befragten gaben an, dass ihre Führungskraft die Unternehmenswerte nicht glaubhaft vermittelt und vorlebt. Darüber hinaus werden gewünschte Werte wie Teamarbeit und Kreativität von den Unternehmen noch nicht ausreichend berücksichtigt, so dass es eine Differenz zu der aktuellen Situation in dem jeweiligen Unternehmen gibt.

MBS China Happiness

Besonders die Relevanz des informellen Austauschs und der sozialen Beziehungen reicht in China tief in das Arbeitsleben hinein. Dem chinesischen Sprichwort „Das Schärfen der Axt ist keine Zeitverschwendung für das Holzmachen“ stimmten 82 % der Befragten zu. Um Vertrauen herstellen zu können ist es notwendig, ausreichend Zeit für die Beziehungspflege zur Verfügung zu haben. Ein weiteres Sprichwort stellt den Umgang mit Konflikten dar: „Auch wenn das Geschäft scheitert, Humanität und Gerechtigkeit müssen bleiben“ (Zustimmung 86 %). Höflichkeit und Respekt sollen auch in schwierigen Situationen der Kompass für die Wahrung des Gesichts (Miànzi) der Beteiligten sein. Andererseits gaben 53 % der Befragten an, Schwierigkeiten mit ihrem Miànzi im Unternehmen zu haben.

Einkommen und Konsum vs. Tradition

Der für China typische Dualismus der Gegensätze trifft auch auf die Glücksvorstellungen der Befragten zu. Einerseits streben vor allem die jungen Chinesen nach einem hohen Einkommen und Konsum, andererseits erachten sie die Tradition als besonders wichtig, in der Geld nie im Zentrum stand. Dennoch sind Geld und Wohlstand für die Chinesen zu zentralen Elementen des eigenen Status herangewachsen und spielen vor allem in den Metropolen eine große Rolle. Immerhin 87 % der Befragten sind der Auffassung, dass sie ein hohes Einkommen glücklich machen kann. Besonders in den Fällen von niedrigem Einkommen nahm bei den Befragten das Streben nach Geld signifikant zu.

Der Dualismus ermöglicht aber zugleich auch noch eine andere Blickweise. 82 % erachten einen tieferen Sinn im eigenen Handeln als besonders wichtig für ihr Glück. Auch in Harmonie zu leben (83 %) und Liebe zu erfahren (69 %) ist für die Befragten von besonderer Relevanz für ihr Glück. Ganz im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, deren Wurzeln im Orakelwesen und Daoismus zu finden sind, gehört für 87 % zum eigenen Glück auch immer das Unglück dazu. Zudem sind 87 % der Meinung, dass durch „Anpassung an die Umgebung“ das individuelle Glück begünstigt wird. Mit „Anpassung an die Umgebung“ ist hier entsprechend Konfuzius ein aktives situatives Verhalten nach den Normen der Gesellschaft, um die Harmonie zu gewährleisten, gemeint.

Mit der Studie konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Glücklevel (als Referenz diente die SHS-Skala von Sonja Lyubomirsky), der Zufriedenheit mit der Arbeit, dem Einkommen und der Unternehmenskultur festgestellt werden. Auffällig ist, dass die am stärksten vertretene Altersklasse (30-34 Jahre) relativ gesehen am unglücklichsten ist. Die Studie bestätigt darüber hinaus, dass sich das Glückslevel nachweislich auch auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Befragten auswirkt. Je glücklicher die Befragten mit der Arbeit waren, desto eher waren sie auch bereit, freiwillig Überstunden zu leisten. Zudem hängt die Zufriedenheit mit der Arbeit positiv mit dem Glückslevel zusammen.

Der Zusammenhang von Glück und Unternehmenskultur und dem wirtschaftlichen Erfolg zeigt, welche Kraft und Möglichkeiten sich hinter dem Thema verbergen. Allgemein ist für deutsche Firmen im Ausland wichtig, das landesspezifische Verständnis und damit das interkulturelle Management besonders vor dem Hintergrund des Erfolgsfaktors Glück zu berücksichtigen. Die Analyse von aktuellen Trends und traditionellem Bewusstsein trägt dazu bei, den Faktor Glück in Unternehmen erfolgreich zu integrieren. Ziel sollte es sein, möglichst vielen Mitarbeitern im Unternehmen ein hohes Glückslevel zu ermöglichen und so gleichzeitig den Unternehmenserfolg zu verbessen ⎻ eine „Win-win-Situation“, von der beide Seiten nur profitieren können.

MBS Prof. Dr. Christian Schmidkonz
Über Prof. Dr. Christian Schmidkonz 43 Artikel
Prof. Dr. Christian Schmidkonz ist Studiengangsleiter des Programms "Master International Business" an der Munich Business School. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Conscious Business, Happiness at Work sowie Wirtschaft in China und Taiwan. Christian Schmidkonz hält ein Diplom in Volkswirtschaftslehre von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er studierte Chinesisch an der Fu Jen Universität in Taiwan und ist Alumnus des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Nach Stationen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung und bei der internationalen Unternehmensberatung Capgemini gewann er als Entrepreneur 2008 den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgeschriebenen Gründungswettbewerb „Multimedia“. Christian Schmidkonz wurde 2020 mit dem erstmalig vergebenen „MBS Teaching Award" ausgezeichnet.
MBS Felix Behringer
Über Felix Behringer
Felix Behringer is a Master International Business graduate of MBS.