Konsum allein macht nicht glücklich – auch nicht in China

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Wenn sich Chinesen für einen Fernsehabend Cola und eine Tüte Chips kaufen, dann kaufen sie Glück: Coca Cola nennt sich in China „可口可乐“ (kekou kele), was direkt übersetzt so viel heißt wie „schmeckt gut und macht glücklich“. Und die bekannten und beliebten amerikanischen Frito Lay’s Chips stehen als „乐事“ (le shi), also „Happy Things“ im Regal. Durch das geschickte Einsetzen der chinesischen Sprache kann auch den einfachsten Produkten in China eine „glückliche“ Konnotation hinzugefügt werden. Doch die neue, glitzernde Konsumwelt in China hat einen besonderen Preis.

Der staatliche chinesische Fernsehsender CCTV führt seit 2007 jährlich eine Untersuchung zum Thema „Glück“ im Sinne von Lebensfreude in China durch. Die Ergebnisse werden im Internet und auf den Fernsehkanälen veröffentlicht und diskutiert. Die Umfragen bestätigen regelmäßig, dass neben der Wohnsituation und Gesundheit vor allem das Gehalt zur Lebenszufriedenheit in China beiträgt – oder diese beeinträchtigt. Tatsächlich verdoppeln sich die durchschnittlichen Gehälter in China ungefähr alle fünf Jahre. Doch der allgemeine Glückslevel steigt nicht in gleichem Maße. Die aus der Glücksforschung bekannten Gewöhnungseffekte schlagen auch in China durch: Hat man sich das neueste Handy gekauft, ist man einige Zeit zufrieden, nach einigen Wochen verpufft dieser Effekt jedoch wieder. Auch Chinesen sind schnell gefangen in der hedonistischen Tretmühle.

Der Erfolgsdruck, die hohen Immobilienpreise in den Städten, die hohen Erwartungen an die Einzelkinder und natürlich die zum Teil extreme Umweltverschmutzung führen neben weiteren Faktoren zu einer Dämpfung des möglichen Glücksniveaus. So gibt es auch in China heute „Wutbürger“, die nach Angaben der Nankai Universität an über 90.000 Massenprotesten im Jahr gegen Umweltverschmutzung teilnehmen. Und wer es sich leisten kann, verlässt China gleich ganz – eine chinesische Studie bezifferte die Zahl der Emigranten, die China 2013 endgültig den Rücken gekehrt hatten, auf neun Millionen.

Konsum alleine macht auch in China nicht glücklich. Doch Wirtschaftswachstum alleine ebenfalls nicht. Der Preis des Glücks ist derzeit noch hoch. Kein Wunder, dass der CCTV Glücksindex seit 2007 kontinuierlich nach unten zeigte und lediglich im vergangenen Jahr leicht die Richtung drehte. Das Bewusstsein für das Thema nimmt in China zu, und so wurde die Fernsehberichterstattung hierüber im Zweifel von Millionen interessierten Chinesen mit „kekou kele“ und „le shi“ verfolgt.

 

MBS Prof. Dr. Christian Schmidkonz
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Prof. Dr. Christian Schmidkonz ist Studiengangsleiter des Programms "Master International Business" an der Munich Business School. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Conscious Business, Happiness at Work sowie Wirtschaft in China und Taiwan. Christian Schmidkonz hält ein Diplom in Volkswirtschaftslehre von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er studierte Chinesisch an der Fu Jen Universität in Taiwan und ist Alumnus des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Nach Stationen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung und bei der internationalen Unternehmensberatung Capgemini gewann er als Entrepreneur 2008 den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgeschriebenen Gründungswettbewerb „Multimedia“. Christian Schmidkonz wurde 2020 mit dem erstmalig vergebenen „MBS Teaching Award" ausgezeichnet.