Wissenschaftliches Arbeiten (Teil 4): Das Plagiat

Plagiarism: Close up of a copy and paste key on a keyboard

Im vierten Teil unserer Blogreihe zum wissenschaftlichen Arbeiten informieren wir über das Plagiat – was es ist, welche Arten von Plagiaten es gibt, welche Folgen ein Plagiat mit sich zieht und wie es sich vermeiden lässt.


Die Arbeit eines Plagiarius (lat.: Seelenverkäufer) – ein Plagiat – hat unweigerlich die Note 5,0 zur Folge, im Wiederholungsfall die Exmatrikulation! Diese Drohung – sie wird auch an der Munich Business School (MBS) ausgesprochen – verwirrt viele Studierende: Sie machen sich Sorgen, dass wegen eines unbeabsichtigten Plagiats bestraft werden könnten. Das verwirrt wiederum die Lehrenden: Wie kann man aus Versehen ein Plagiat produzieren? Es ist doch ganz einfach: Quellen angeben und fertig. Wir wollen diese Diskrepanz ausleuchten.

Was ist ein Plagiat?

Ein Plagiat ist Betrug, also eine Behauptung falscher Tatsachen, eine Anmaßung der Autorschaft. Der*Die Autor*in eines Plagiats gibt Ideen, Ergebnisse, Formulierungen, Bilder, Strukturen etc. als seine*ihre eigene Schöpfung aus. Es ist dabei völlig unerheblich, ob der*die Plagiator*in sich Vorteile davon erhofft, also einen akademischen Grad oder eine gute Note für eine Hausarbeit anstrebt, oder ob er schlicht den Aufwand für eine Auseinandersetzung mit den Regeln für korrektes Zitieren scheut. Dieser „geistige Diebstahl“ ist ein schwerer Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und manchmal sogar gegen das Urheberrecht und wird geahndet. Zusätzlich verstoßen plagiierende Studierende der MBS gegen ihre eigene eidesstattliche Versicherung, was nach Strafanzeige der Hochschule zu einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe führen könnte (§456 StGB).

Plagiatsformen

Plagiat ist nicht gleich Plagiat, es gibt verschiedene Ausformungen und fließende Übergänge. Die gängigsten Plagiatsformen, die wir hier nennen, können unseren Studierenden schon helfen, ihr grundsätzliches Streben nach wissenschaftlicher Integrität zu unterstützen[1]:

  • Komplettplagiat: wörtliche Übernahme – entweder eines Satzes, eines Absatzes, eines Kapitels oder eines kompletten Werkes
  • Verschleiertes Plagiat: Übernahme fremder Aussagen mit leichten Abänderungen, Paraphrasen (sinngemäße Übernahme fremder Texte) ohne Zitat
  • Bauernopfer: wörtliche Übernahme, aber nur als indirektes Zitat gekennzeichnet
  • Ideenplagiat: Ideen oder Erkenntnisse werden ohne Angabe der Quelle verwendet.
  • Strukturplagiat: Struktur/Gliederung des Textes wird übernommen.
  • Übersetzungsplagiat: die Übersetzung eines Textes wird als eigener Text ausgegeben – in der Hoffnung, dass z. B. Plagiatsprüfsoftware solchen Diebstahl nicht erkennt.
  • Zitatsplagiat: die Übernahme von Quellen mitsamt den bibliographischen Angaben aus einer fremden Quelle, ohne eigene Recherche und ohne Angabe dieser Quelle
  • Eigenplagiat: eine eigene, an anderer Stelle eingereichte wissenschaftliche Arbeit wird ohne Quellenangabe verwendet.
  • Bildplagiat: die Übernahme graphischer Darstellungen, Bilder, von Tabellen, Diagrammen – ganz oder in Teilen – ohne Angabe der Quelle

Als besondere Form des Plagiats ist auch die Einreichung einer Arbeit zu nennen, die von einer anderen Person, einem sog. „Ghostwriter“, im Auftrag des*der Plagiator*in erstellt wurde.

Natürlich sind die obigen Beispiele leicht als Verstöße gegen wissenschaftliche Redlichkeit, gegen die Suche nach „Wahrheit“ zu erkennen. Dennoch wollen wir für die Studierenden und Lehrenden Munich Business School eine höhere Sicherheit im Umgang mit zentralen ethischen Codes der wissenschaftlichen Arbeit schaffen – eine Richtlinie zur Erkennung, Vermeidung und Ahndung von Plagiaten an der MBS ist bereits in Arbeit.

Was ist eigentlich das Gegenteil von Plagiat?

„Gute wissenschaftliche Praxis“, so könnte die Antwort lauten.[2] Diese gute wissenschaftliche Praxis besteht u. a. daraus, dass zur Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit (Seminararbeit oder Abschlussarbeit) zunächst der aktuelle Stand der Forschung darzulegen ist, was nur unter Angabe von Quellen möglich ist. In der eigenen Leistung zur Beantwortung der Forschungsfrage müssen ebenfalls alle Quellen explizit genannt werden, die der*die Autor*in verwendet hat, die als Ideengeber dienten, aus denen irgendetwas übernommen wurde – egal ob wörtlich oder nur die Idee oder die Struktur betreffend. Diese Quellenangaben müssen den jeweiligen formalen Vorgaben entsprechend allen Leser*innen das Auffinden dieser Quellen ermöglichen.

Das ist doch einfach, oder?

Absicht – ja oder nein?

Ein Plagiat mit voller Absicht zu produzieren, erscheint zunächst einfach: Copy & Paste und fertig. Da ein absichtsvolles Plagiat jedoch immer den Zweck verfolgt, nicht als solches, also nicht als Plagiat erkannt zu werden, sind umfangreiche Kenntnisse und Vorkehrungen nötig, um nicht entlarvt zu werden. Die humorvolle Anleitung für Plagiate von Roland Schimmel zeigt, was zu beachten ist, wenn man ein erfolgreiches Plagiat herstellen will. Die Erkenntnis daraus: Plagiieren ist viel zu kompliziert. Es kostet weniger Mühe, eine korrekte Arbeit mit korrekter Zitation zu schreiben, als geklaute Ideen erfolgreich zu verstecken. Insbesondere Anfänger*innen oder Fachfremde können nicht ermessen, wie umfangreich die Kenntnisse und Erfahrungen der Dozierenden sind, die die Arbeit begutachten, wie leicht sie also entweder einen Ideenklau erkennen – oder wenigstens vermuten und dann auf die Suche gehen. Zudem können Prüfende auf einschlägige Software zurückgreifen, die äußerst nützliche Hinweise liefert.

Ein unabsichtliches Plagiat ist ein schwieriges Konstrukt: Wie kann ein Student*in nachweisen, dass es keine Absicht war? Insbesondere in den ersten Semestern lassen die Kommentare der Studierenden in den Lehrveranstaltungen zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten vermuten, dass sie verblüfft sind darüber, wirklich alles angeben zu müssen, was sie irgendwo gelesen und in der Arbeit verwertet haben. Sieht das nicht komisch aus, wenn da überall Fußnoten stehen? Eine halbe Seite voll mit Fußnoten erscheint ihnen als schiere Monstrosität – wer will und wer kann denn das noch lesen? Die alternative Kurzzitationsweise ist auch keine Lösung für sie: Wer liest denn einen Text mit lauter Klammereinschlüssen? Am liebsten würden sie wohl fragen: Ist das Ihr Ernst?

Vermeidung von Plagiat

In den oben aufgeführten Fragen der Studierenden liegen – so meinen wir – auch die Lösungen, um unabsichtliche Plagiate zu vermeiden:

  1. Üben wissenschaftlicher Praxis: Studierende müssen wissenschaftliche Texte lesen (notfalls dazu gezwungen werden), um sich neben den Inhalten auch mit den Methoden der Wissenschaft vertraut zu machen. Wie wird zitiert? Wie werden Argumente eingeführt? Welche Rolle spielen die Verweise auf andere Autor*innen? Und: Ja, solche Texte liest man in der Wissenschaft. Denn wenn wir uns die Ziele von Wissenschaft noch einmal vor Augen führen, so ist genau diese Methode der Quellenverweise eines der Mittel, um unparteiische Wahrheit anzustreben.
  2. Kein Infotainment: Der Vergleich wissenschaftlicher Texte mit journalistischen und feuilletonistischen Texten – welche den Studierenden vertrauter zu sein scheinen – ist ebenfalls erhellend. Insbesondere, wenn die unterschiedlichen Zwecke und Zielgruppen dieser Texte klar herausgestellt werden.
  3. Die Ego-Falle: Häufig ist auch Enttäuschung zu hören: Wie? Meine eigene Meinung interessiert gar nicht? Ja, aber dann besteht die Arbeit bloß daraus, wiederzugeben, was andere geschrieben/gesagt haben? Ja, das ist bei ersten wissenschaftlichen Arbeiten der Fall und auch bei Abschlussarbeiten ist der aktuelle Stand der Forschung zu dokumentieren, also darzustellen, „was andere gesagt haben“. Aber gerade das ist ja ein Ausweis fachlicher Expertise: Wer die einschlägige Fachliteratur kennt, die entsprechenden Autor*innen und ihre Werke gelesen und gegeneinander abgewogen hat, kann erst mitreden, sich also in den wissenschaftlichen Diskurs einschalten. Das Zitieren von Fachtexten ist daher ein Gütekriterium, das dem*der Autor*in zur Ehre gereicht. Schlussendlich hat auch unser Ego etwas davon, wenn wir – in beliebigen Kontexten – fachlich fundierte Informationen präsentieren können. Fehlen diese, ist die Arbeit schlichtweg nicht wissenschaftlich fundiert.
    Der erste eigene Forschungsbeitrag von wissenschaftlich Tätigen, z. B. das Finden neuer Erkenntnisse, das Bestätigen oder Falsifizieren einer bestehenden Theorie, findet erst im Rahmen einer Doktorarbeit statt, die deshalb auch der sog. scientific community durch Veröffentlichung zugänglich gemacht wird.
  4. Betreuung: Studierende müssen in das wissenschaftliche Arbeiten eingewiesen werden. Insbesondere ihre ersten Schritte bedürfen einer intensiven Betreuung durch die Lehrenden. Das ist übrigens auch die beste Methode, um Plagiate zu vermeiden bzw. sofort zu erkennen – auch Plagiate aus dem oben genannten „Graubereich“. Wenn wir als Lehrende die Arbeiten begleiten und deren Fortschritt verfolgen, wissen wir, welche Leistungen die Studierenden erbracht haben. Und es wird auf beiden Seiten für mehr Zufriedenheit sorgen, wenn die Studierenden so das Thema „Wissenschaftliches Arbeiten“ nicht nur bewältigen, sondern sogar Freude daran finden.

Freude an wissenschaftlicher Arbeit?

Die Vermeidung von Plagiaten bzw. die Auswertung von Quellen und ihre Nennung bringt tatsächlich sehr viel! Ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen und alltäglichen Meinungsäußerungen besteht in der Fundierung von scheinbar allgemein bekannten und im Konsens befindlichen Aussagen: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit mehreren Jahren im Aufschwung“ könnte von Verschwörungstheoretiker*innen, Sozialverbänden, arbeitslosen Akademiker*innen, Oppositionspolitiker*innen oder peniblen Wissenschaftskolleg*innen geleugnet werden, falls nicht mit Daten einer europäischen Statistikbehörde oder einer internationalen Organisation (OECD, IWF) belegt wird, was mit Aufschwung (= Wachstum des BIP) genau gemeint ist.

Das Schaffen dieser Basis, das Arbeiten mit zuverlässigen Quellen schafft Sicherheit in der eigenen Argumentation, auch in Diskussionen außerhalb des Wissenschaftsbereichs. Setzt man die Quellenarbeit fort, indem man sich im fachspezifischen Bereich in den State of the Art einarbeitet, entsteht, je nach Intensität des Quellenstudiums, eine breitgefächerte und zugleich tiefgehende Expertise, die neben Methoden- und Basiswissen am Ende eines Studiums in mindestens zwei Themenbereichen erreicht sein sollte (Seminararbeit und Abschlussarbeit).

Zu dieser Expertise gehört auch, dass Studierende durch umfangreiches Recherchieren die Fähigkeit schulen, zuverlässige Quellen von anderen zu unterscheiden sowie ausreichend differenzierte Quellen zu berücksichtigen und ihnen diese Fähigkeit in ihrem ganzen weiteren Leben nützlich sein dürfte, z. B. bei der Recherche über die besten Wege, ihre finanziellen Mittel anzulegen oder in der Vermeidung des zweifelhaften Rufes, Fake News zu streuen.

Plagiatsvorwurf: Und wer ist nun schuld?

Kommt es zu einem Plagiatsvorwurf, stellt sich stets die Frage nach der Verantwortung der Betreuer*in bzw. der jeweiligen Hochschule oder Forschungseinrichtung. Es gibt einige prominente Plagiator*innen wie den ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg oder die ehemalige Bundesbildungsministerin Anette Schavan, deren Fälle medial gut dokumentiert sind. Das ungarische Magazin HVG[3] publizierte 2011 Erkenntnisse, wonach der damalige ungarische Präsident Pál Schmitt sage und schreibe 180 Seiten (von insgesamt 215 Seiten) seiner Doktorarbeit aus der in französischer Sprache erschienenen Studie eines bulgarischen Sportwissenschaftlers verwendete. Außerdem hatte er weitere Seiten aus der Arbeit eines deutschen Soziologen verwendet, beides in ungarischer Übersetzung. 2012 wurde ihm schließlich der Doktorgrad aberkannt und er trat zurück. Die entsprechende Untersuchungskommission schrieb jedoch der Universität ein erhebliches Mitverschulden zu: Sie hätte die Arbeit gar nicht erst annehmen dürfen.[4] Die Hochschulen und die Betreuer*innen solcher Arbeiten tragen eine erhebliche Verantwortung für Plagiate, wenn diese ohne Prüfung unerkannt zu Abschlüssen und Credit Points führen.

Verantwortung für die wissenschaftliche Integrität tragen also beide Seiten: Autor*innen (Studierende und Forscher*innen) und die Institutionen (Betreuer*innen, Hochschulen, Verlage etc.), die diese Arbeiten annehmen und bewerten. Und beide haben ein echtes Interesse daran, die Methoden und den Ethos der Wissenschaften zu verteidigen – ist doch einfach, oder?

Du willst mehr über wissenschaftliches Arbeiten lernen? Dann schau dir auch die ersten drei Teile unserer Reihe an: 
Teil 1: Was ist die Wahrheit?
Teil 2: Die Recherche 
Teil 3: Wissenschaftssprache

Quellen:
[1] nach Schwarzenegger, Christian (2006). Plagiatsformen und disziplinarrechtliche Konsequenzen. In: unijournal. Die Zeitung der Universität Zürich, Nr. 4/2006, S. 3.
[2] siehe hierzu z. B.: Deutsche Forschungsgemeinschaft (2013). Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Denkschrift. Weinheim: Wiley-VCH.
[3] György Miklós (2012): Súlyos plágiumgyanú Schmitt Pál doktori értekezése körül. (Schwerer Plagiatsvorwurf im Zusammenhang mit der Doktorarbeit von Pál Schmitt) In: HVG, 11. Januar 2012.; ORF Mittagsjournal (2012): Ungarns Staatspräsident unter Plagiatsverdacht. In: ORF, 12. Januar 2012.
[4] Die Arbeit scheint außerdem zahlreiche Rechtschreibfehler enthalten zu haben, was der ungarischen Universität nur deshalb gleichgültig gewesen sein kann, weil Pál Schmitt als Fechter zweimal Olympiasieger war, einmal sogar Weltmeister.

Für Inhalt und Form des Beitrags sind die Autor*innen verantwortlich. 

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Gabriella Maráz ist Professorin für Interkulturelles Management und Methodenlehre mit den Schwerpunkten Informations- und Kommunikationspsychologie und Arbeitstechniken.
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Über Prof. Dr. Wolfgang Zirus 22 Artikel
Prof. Dr. Zirus studierte Betriebswirtschaft in Regensburg. Er arbeitete einige Jahre für die Dresdner Bank (Kreditrevision) und machte sich dann als freier Dozent selbständig. In dieser Funktion arbeitete er auch für die Munich Business School, zunächst selbständig, dann als angestellter Dozent. Er promovierte berufsbegleitend an der LMU München über problemorientierte Lernumgebungen. Heute ist Prof. Zirus an der MBS Modulleiter und Dozent für finanzwirtschaftliche Fächer. Er arbeitet daneben weiter als selbständiger Dozent.