Die enttäuschte Wirtschaft oder Warum Bachelor-Absolventen gute Berufseinsteiger sind

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Seit seiner Einführung im Rahmen des Bologna-Prozesses 1999 wird der Bachelor-Abschluss heiß diskutiert: Studierende, Hochschulvertreter, Verbände und Interessenvertretungen, die Wirtschaft, unzählige Experten – anerkannte wie selbst ernannte –, die Schar der Diskutierenden ist groß und divers.

Zuletzt meldete sich Eric Schweitzer medienwirksam zu Wort, seines Zeichens Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK): Deutsche Unternehmen tun sich zunehmend schwer mit Bachelor-Absolventen, das hat eine DIHK-Umfrage ergeben. Demzufolge sind nur noch 47 Prozent der Unternehmen mit ihnen zufrieden, Tendenz fallend. Dass die Bachelor-Absolventen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet sind, dieser Meinung sind gar nur 15 Prozent der Befragten.

Zahlreiche Unternehmen und Industrieverbände wie der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) oder die Hochschulallianz für den Mittelstand reagierten schnell und wiesen die Kritik zurück. Eine aktuelle Studie, die im Auftrag des Bundesbildungsministeriums vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erstellt wurde, kommt ebenfalls zu einem anderen Ergebnis.

Der Bachelor ist in der Wirtschaft angekommen

Auch meine eigenen Erfahrungen als Leiter des Career Centers der MBS und Verantwortlicher für Unternehmenskooperationen zeigen ein anderes Bild als das vom DIHK gezeichnete. Zu meinen Aufgaben gehört es unter anderem, Studenten und Unternehmen für Praktika oder Praxisprojekte zusammenzubringen. Die Rückmeldung der Unternehmen, die in diesem Rahmen mit unseren Bachelor-Studenten zusammenarbeiten oder bei denen unsere Bachelor-Absolventen angestellt sind, ist in aller Regel sehr gut. Egal ob es sich um kleinere Start-ups handelt oder um große Unternehmen wie Telefónica, Sixt oder die Commerzbank.

Daher bin ich im Gegensatz zu Herrn Schweitzer der Meinung: Der Bachelor wird nicht nur von den Studierenden anerkannt, er ist inzwischen auch in der deutschen Wirtschaft angekommen.

Grundsätzlich muss man sagen, dass der Bachelor-Studiengang inhaltlich sehr verdichtet ist und wie früher das Diplom mehr als ausreichendes Basiswissen beinhaltet. Natürlich lernen Master-Studierende noch mehr, sie studieren schließlich länger. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass Bachelor-Absolventen für den Berufseinstieg ungeeignet sind.

Zudem ist der Bachelor-Abschluss die Basis für den Master-Studiengang, den die meisten unserer Studierenden ohnehin direkt anschließen. Aber der Berufseinstieg ist auch mit dem Bachelor problemlos möglich. Das kann sogar von Vorteil sein, da man einen Master auch später nachholen kann und viele Unternehmen ihre Mitarbeiter darin sogar unterstützen – etwa durch spezielle Programme oder finanziell.

Der Bachelor erfüllt die Anforderungen der modernen Arbeitswelt

Der Bachelor wurde geschaffen, um den Nachwuchs auf die sich immer schneller ändernde Wirtschafts- und Arbeitswelt vorzubereiten. Das tut er unter anderem durch eine überarbeitete und modernisierte Studienordnung, den hohen Praxisbezug und seine internationale Anerkennung. Zudem sind Bachelor-Absolventen noch vergleichsweise jung (und es war die Wirtschaft, die vor Einführung des Bachelor bemängelte, Akademiker seien beim Berufseinstieg zu alt!). Diese „gewonnene“ Zeit können sie ideal nutzen, um praktische Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln. Man darf nicht vergessen: Auch Master-Absolventen sind keine fertigen Führungskräfte, die heute noch im Hörsaal sitzen und morgen schon im Chefsessel eines Großkonzerns.

Genau das Fehlen dieser praktischen Erfahrung bei Bachelor-Absolventen bemängelt der DIHK. Doch diese Kritik ist unberechtigt. Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen Universitäten und Fachhochschulen wie der MBS. Letztere haben sich den angewandten Wissenschaften verschrieben und möchten „komplette“ Absolventen ausbilden (theoretisches Wissen plus Praxisnähe plus Charakterbildung).

MBS Bachelor-Studierende absolvieren im Rahmen ihres Studiums drei mehrmonatige Praktika, davon eines im Ausland. Weiterhin beinhaltet das Studienprogramm ein sogenanntes „Projekt Unternehmensgründung“ mit praktischem Bezug, eine soziale Projektarbeit (jeweils über zwei Semester) und Dozenten aus der Unternehmenswelt, die wertvolles praktisches Wissen und Erfahrungen besitzen und an die Studierenden weitergeben. Auch Faktoren wie der English Track (das komplette Studium wird in Englisch abgehalten) oder mehrere zur Auswahl stehende Studienschwerpunkte bereiten gezielt auf eine Karriere in der globalisierten und diversifizierten Wirtschaftswelt von morgen vor.

Hinzu kommt: Durch die Zusammenarbeit der MBS mit großen wie kleineren Unternehmen lernen diese die Studierenden schon während des Studiums kennen. So entstehen Kontakte, die bereits im oder nach dem Studium unmittelbar die Tür in diese Unternehmen öffnen. Es gibt sogar Studenten, die einen Master-Abschluss planen, sich aber nach dem Bachelor umentscheiden und direkt in den Beruf gehen.

Wie denkt die Wirtschaft wirklich?

Wie kommt es nun, dass der DIHK (und somit die befragten Unternehmen seiner Studie) zu einem ganz anderen Ergebnis kommt?

Zunächst einmal ist es so, dass Unternehmen am liebsten die eierlegende Wollmilchsau wollen, die jung ist sowie theoretisch, praktisch und persönlich voll ausgebildet. Dieser Wunsch ist zwar höchst verständlich und daher keineswegs verwerflich, aber eben auch unrealistisch. Die oben bereits genannte Studie des Bundesbildungsministeriums führt an: Es sind vor allem die Unternehmen, die keine oder wenige Bachelor-Absolventen in ihren Reihen haben, die das Bild des für die Arbeitswelt ungeeigneten Bachelor-Absolventen zeichnen.

Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die Meinung der Unternehmen, die ja letztendlich der entscheidende Faktor sind, indem sie Bachelor-Absolventen (weiter) einstellen oder eben nicht.

Die meisten Unternehmen fordern von Hochschul-Absolventen praktische Erfahrungen und Praxisbezug im Studium, Auslandserfahrung und eine solide, breite Basis für den Berufsalltag. Spezialkenntnisse haben nicht die höchste Priorität. Sie sind „nice to have“ und können zum Beispiel in der beruflichen Praxis, durch innerbetriebliche Maßnahmen oder ein späteres Master-Studium erlernt werden.

Auch die Chancen, selbst die höchsten beruflichen Positionen zu erreichen, sind nur teilweise Master-Absolventen vorbehalten. Sicherlich ist der Master ein Teilaspekt, die Unternehmen legen bei solchen Personalentscheidungen aber deutlich mehr Wert auf innerbetriebliche Leistungen als auf einen hohen Abschluss. Durch die bereits genannte Persönlichkeitsbildung unserer Studierenden sind diese in jener Hinsicht perfekt vorbereitet und haben alle Optionen, die höchste Stufe der Karriereleiter zu erklimmen. Im Übrigen bevorzugen die meisten Unternehmen ohnehin eine Mischung aus Bachelor- und Master-Absolventen in ihrer Belegschaft.

Fazit: Mit dem Bachelor in den Beruf

Last but not least möchte ich auf die Resonanz unserer Studierenden und Absolventen zu sprechen kommen. Ich rede Tag für Tag mit ihnen und kann daher aus Erfahrung sprechen: Sie spüren nicht, dass der Bachelor sie nicht ausreichend für die Berufspraxis vorbereitet (hat).

Mein Fazit lautet daher: Als Fachhochschule mit einem starken Bachelor-Programm sehen wir es als wichtige Pflicht und große Verantwortung an, unsere Bachelor-Studierenden umfassend auf das Berufsleben vorzubereiten. Dass dies nicht nur unser frommer Wunsch ist, sondern Realität, das bestätigen uns unsere Absolventen genauso wie die Unternehmen, mit denen wir seit Langem zusammenarbeiten. In einem Punkt bin ich mir aber mit Herrn Schweitzer und dem DIHK einig: Laut deren Umfrage sind die meisten Unternehmen mit Master-Absolventen sehr zufrieden, Tendenz steigend.

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Über Matthias Flakowski 4 Artikel
Matthias Flakowski ist Leiter des MBS Career Center und verantwortlich für Unternehmenskooperationen. Er stellt das Bindeglied zwischen Student, Unternehmen und Dozenten im Knowlegde Transfer, Recruiting und Employer Branding dar. Mit mehrjähriger Erfahrung im Bildungsbereich, speziell im Bewerbungsmanagement in enger unternehmerischer Zusammenarbeit, unterstützt er als zertifizierter Business Coach (QRC) durch Application Trainings, durch das MBS Future Step-Programm für Absolventen und durch individuelle Coachings die Studierenden an der MBS. Er bietet darüber hinaus Unternehmen die Möglichkeit, durch Gastvorträge, Recruiting Events, das MBS Job Portal und Absolventenbuch mit Studierenden und Absolventen in Kontakt zu treten.
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