
Nachhaltigkeit ist ein Auslaufmodell. Zumindest bei denjenigen, die die Welt wirklich zu einem besseren Ort machen wollen. Denn die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens wurde in der Vergangenheit so nachhaltig verletzt, dass heute ein nachhaltiges Wirtschaften lediglich einen schlechten Zustand erhält, jedoch nicht dazu beiträgt, diesen zu verbessern. Viel zu lange wurden bereits mehr Ressourcen verbraucht als auf natürliche Weise regeneriert werden können. Nachhaltiges Wirtschaften würde bedeuten, dass wir weiterhin dabeibleiben werden, jedes Jahr die natürlichen Ressourcen von 1,7 Erden zu verbrauchen – anstatt nur die Ressourcen der einen Erde, auf der wir alle leben.
Auch aus diesem Grund hat der Hersteller von Outdoor-Kleidung, Patagonia, den Begriff „Nachhaltigkeit“ aus seinem Wortschatz gestrichen. Möglicherweise werden weitere Unternehmen folgen, denn Patagonia ist seit vielen Jahrzehnten ein Pionier in der Kleidungsbranche im Bereich umweltbewussten Handelns. Nicht zu Unrecht inspirierte der Gründer Yvon Chouinard dutzende Unternehmer*innen weltweit dazu, ihr Unternehmen stärker als ein „Conscious Business“ zu führen und damit transparenter, reflektierter sowie verantwortungs- und umweltbewusster zu handeln.
Die einzige Form eines zukunftsorientierten Unternehmens kann heute lediglich ein Unternehmen sein, welches regenerativ (!) arbeitet. Ein derartiges Unternehmen richtet nicht nur keinen Schaden an, sondern repariert diejenigen Schäden, die in den vergangenen Jahrhunderten durch unternehmerisches Handeln bereits entstanden sind. Schauen wir uns einige Beispiele von Unternehmen an, die bereits regenerative Geschäftsmodelle betreiben oder zumindest intensiv daran arbeiten:
Ecosia
Die Internetsuchmaschine Ecosia verwendet die durch Anzeigen eingenommenen Gelder zu einem Großteil für Baumpflanzprojekte. Im Schnitt wird mit ca. jeder 50. Suche ein Baum gepflanzt. Da ein Baum in einer Lebenszeit von 15 Jahren 50 kg CO2 aus der Atmosphäre absorbiert, bedeutet dies, dass ein*e Nutzer*in von Ecosia mit jeder Suchanfrage 1 kg CO2 aus der Atmosphäre nimmt. Der durch den Betrieb der Server verursachte CO2-Ausstoß fällt dabei kaum ins Gewicht und noch dazu: da Ecosia auf Bing für die Suchergebnisse zurückgreift und Microsoft als Anbieter von Bing angekündigt hat, bis 2050 nicht nur CO2-neutral zu sein, sondern auch den gesamten CO2-Ausstoß, den Microsoft in seiner Unternehmensgeschichte verursacht hat, wieder aus der Atmosphäre genommen zu haben, hat Ecosia ein eindeutig regeneratives Geschäftsmodell gefunden. Monatlich werden Millionengewinne erzielt, mit denen bis Ende 2021 bereits über 140.000.000 Bäume gepflanzt worden sind.
Allbirds
Allbirds Schuhe werden vollständig aus natürlichen Materialien wie Wolle und pflanzenbasierten Stoffen hergestellt – bis auf die Schnürsenkel, welche aus recyceltem Plastik bestehen. Die Sohlen werden aus Zuckerrohr gewonnenem „SweetFoamTM“ produziert und auf eine insgesamt sogar CO2-negative Weise hergestellt. Was den Einsatz der verwendeten Materialien betrifft, so bedeutet dies in der Konsequenz: Je mehr Schuhsohlen produziert werden, desto besser ist dies für den Kampf gegen den Klimawandel. Allbirds weist darauf hin, dass die Umweltziele nur mit der Verfolgung einer regenerativen Landwirtschaft im Gegensatz zur extensiven Landwirtschaft zu erreichen sind. Noch trägt jeder produzierte Schuh insgesamt zum CO2-Wachstum bei; wieviel Kilogramm dies sind, wird für jedes Paar Schuhe transparent angegeben. Auch wenn der CO2-Ausstoß kompensiert wird, so ist es doch das Ziel von Allbirds, erst gar kein CO2 zu produzieren und am Ende sogar CO2-negativ zu werden: „We intend to reverse climate change through better business.“ Das intern verwendete „Life Cycle Assessment (LCA) Tool“ zur Berechnung des CO2-Beitrags eines Produktes stellt Allbirds als Open Source frei auf der Website zur Verfügung.
Übrigens: Was die Bereitstellung derartiger Tools betrifft, so ist Allbirds nicht allein: Auch Logitech verfolgt eine regenerative „Reduce-Renew-Restore“-Strategie und stellt im Rahmen dessen seine LCA-Methode Interessierten zur Verfügung.
Interface
Woran Allbirds noch arbeitet, hat Interface, der Hersteller von Bodenbelägen (jährlicher Umsatz >1 Mrd. US$), bereits geschafft: Nicht nur werden alle Bodenbeläge klimaneutral produziert sondern 2020 wurden sogar die weltweit ersten CO2-negativen Teppichfliesen eingeführt. Der Gründer von Interface, Ray C. Anderson, hatte bereits 1994 für sein Unternehmen das Ziel ausgerufen, keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt mehr zu verursachen, wobei die komplette Lebensdauer der Teppichfliesen berücksichtigt werden soll. Heute kann Interface den CO2-Fußabruck für die verbauten Emissionen (embodied carbon; cradle-to-gate) sogar negativ gestalten. Damit gilt: Je mehr derartige Teppichfliesen in den Büros in aller Welt verlegt werden, desto besser ist dies für das Klima. Die nach dem Verkauf des Produktes durch die nicht durch Interface beeinflussbare Nutzung freigesetzten CO2-Emissionen (operational carbon; gate-to-end-of-life) werden über Zertifikate kompensiert. Alle Produkte werden am Ende der Nutzungsdauer zurückgenommen, um wieder in den Kreislauf eingeführt zu werden. Die Vision von Interface ist eine “Factory as a Forest”, welche nicht nur keine rauchenden Schlote hat oder lediglich nachhaltig arbeitet, sondern einen positiven und damit regenerativen Beitrag zur Verbesserung der Umwelt leistet.