Geschenkeverpacken treibt jedes Jahr zur Weihnachtszeit viele Menschen in den Wahnsinn – und sonderlich nachhaltig ist es meist auch nicht. Aus Sicht der ökonomischen Signaltheorie ist es dennoch eine wichtige Geste.
Stellen Sie sich folgende Szene am Heiligabend vor: Sie haben Geld für Geschenkpapier, Schleifen und Glitzersternchen ausgegeben. Sie haben 20 Minuten damit verbracht, Ecken sauber zu falten und Klebestreifen strategisch zu platzieren. Und das Ergebnis? Innerhalb von wenigen Sekunden wird Ihr Kunstwerk von den Beschenkten in Fetzen gerissen und landet im Altpapier.
Aus einer rein effizienzbasierten Perspektive wirkt das wie Wahnsinn. Es ist Ressourcenverschwendung. Wäre es nicht rationaler, das Geschenk unverpackt zu überreichen oder – noch effizienter – einfach den entsprechenden Geldbetrag zu überweisen?
Ökonomisch betrachtet: Ja (Sehen Sie dazu auch den Weihnachtsblogbeitrag von 2021). Aber auf der Beziehungsebene wäre das oft eine Katastrophe. Um zu verstehen, warum wir diese scheinbare Irrationalität jedes Jahr aufs Neue begehen, müssen wir einen Blick auf die Signaltheorie (Spence 1973) werfen. Ein Konzept, für das der Ökonom Michael Spence 2001 den Nobelpreis erhielt und das auch in der modernen Mikroökonomie intensiv diskutiert wird.
Das Problem: „Talk is cheap“

In menschlichen Beziehungen herrscht oft das, was wir in der Volkswirtschafslehre als Informationsasymmetrie bezeichnen: Sie wissen, wie sehr Sie Ihre Familienangehörigen oder Freunde schätzen. Aber wissen diese es auch mit Sicherheit? Sie können natürlich sagen: „Ihr seid mir wichtig.“ Doch in der Spieltheorie – und nicht nur dort – gilt das Prinzip: „Talk is cheap“. Worte kosten nichts und sind leicht ausgesprochen. Jeder kann sie äußern, unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt.
Wie beweist man also glaubwürdig, dass einem die Beziehung wichtig ist? Man benötigt ein kostspieliges Signal.
Die Lösung: Ineffizienz als Währung
Damit ein Signal glaubwürdig ist (ein sogenanntes Credible Signal), muss es schwer zu fälschen sein. Es muss dem Sender Mühe bereiten – oder ökonomisch gesprochen: Es muss Opportunitätskosten verursachen.
Hier kommt das Geschenkpapier ins Spiel. Ein Geldgeschenk ist zwar maximal effizient, da die Empfänger kaufen können, was immer ihren Präferenzen entspricht, aber es ist ein „schwaches Signal“. Der Gang zum Geldautomaten oder die PayPal-Überweisung erfordert kaum Aufwand. Es signalisiert keine emotionale Investition.
Wenn Sie jedoch ein Geschenk aussuchen (Suchkosten) und es dann noch aufwendig verpacken (Transaktionskosten), senden Sie ein starkes Signal. Sie sagen implizit: „Meine Zeit ist ein knappes Gut, aber ihr seid mir so wichtig, dass ich diese Zeit opfere, nur damit ihr drei Sekunden Freude beim Auspacken habt.“
Ein Einwand: Das Nachhaltigkeits-Dilemma
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: „Ist dieses Signaling nicht ökologisch unverantwortlich?“ Schließlich produzieren wir Berge von Müll für ein kurzlebiges Signal.

Hier zeigt sich die Flexibilität der ökonomischen Signaltheorie. Erinnern Sie sich an die Bedingung: Das Signal muss kostspielig sein – aber diese Kosten müssen nicht zwingend monetär oder materiell sein. Die Währung ist Ihre Zeit.
Wenn Sie statt Glanzfolie altes Zeitungspapier oder wiederverwendbare Stofftücher (nach der japanischen Furoshiki-Tradition) nutzen und diese besonders kunstvoll falten, ändert sich die Kostenstruktur. Die externen Effekte für die Umwelt sinken, aber Ihre Opportunitätskosten (die Zeit für das kreative Falten) bleiben hoch oder steigen sogar.
Ökonomisch betrachtet ist ein nachhaltig, aber aufwendig verpacktes Geschenk also oft sogar das stärkere Signal als die schnell gekaufte Hochglanz-Tüte. Es beweist: Ich habe mir Gedanken gemacht und Mühe gegeben.
Das ökonomische Fazit aus Sicht der Signaltheorie
Der Kern der Sache ist also nicht zwangsläufig das Zerstören von Papier, sondern der Akt des Auspackens selbst. Ob die Hülle nun zerrissen oder ein Knoten feierlich gelöst wird: Die Verpackung dient nicht dem Schutz der Ware, sondern dem Transport der Emotion. Sie ist der physische Beleg für geleisteten Aufwand, der im Moment der Übergabe seinen Zweck erfüllt hat.
Wenn Sie dieses Jahr also fluchend mit der Schere hantieren oder komplizierte Stoffknoten binden: Trösten Sie sich. Sie betreiben gerade angewandte Spieltheorie. Sie generieren ein sogenanntes Separating Equilibrium, das Sie von denjenigen unterscheidet, die den Weg des geringsten Widerstands gehen. Und falls Ihr Geschenk handwerklich nicht perfekt verpackt ist? Keine Sorge. Solange sichtbar ist, dass es Ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen hat, ist das Signal angekommen.
Vielleicht ist das die schönste Erkenntnis der Mikroökonomie zur Festzeit: Dass gerade die Ineffizienz manchmal den wahren Wert einer Geste ausmacht.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!
Tipp (Werbung): Falls Sie Ihre Suchkosten für das diesjährige Weihnachtsgeschenk drastisch minimieren möchten, habe ich einen effizienten Vorschlag: Mein Buch bietet nicht nur tiefere Einblicke in spieltheoretische Konzepte, sondern signalisiert dem Beschenkten auch hohe intellektuelle Wertschätzung (ein sehr starkes Signal!): Bartholomae, F. & Wiens, M. (2024): Game Theory and Applications, A Guide for Students and Researchers, Springer: Wiesbaden.
Literatur:
Spence, M. (1973). Job Market Signaling. The Quarterly Journal of Economics, 87(3), 355–374.