Online-Unterricht & Wissenstransfer beim Lernen – Sie schaffen das! … Aber Sie im Klassenzimmer willkommen zu heißen, wird großartig sein!

Online Classes

Schulen und Universitäten auf der ganzen Welt sind dazu übergegangen oder erwägen in einigen Fällen den Umstieg auf das Angebot von Online-Unterricht nach COVID-19. Anstatt Klassenkameraden zu treffen, nach dem Unterricht direkt Fragen zu stellen oder bei einem Kaffee zu plaudern, sind die meisten von uns zum Unterricht zu Hause. Für viele von uns bedeutet das, in einem Raum zu sein, der so klein ist, dass man sich kaum darin umdrehen kann, oder dessen Wände wir müde geworden sind, anzuschauen. Nach einem langen Unterrichtstag und neuen Formen der Erschöpfung, die durch den Versuch verursacht werden, Gesichtsausdrücke und feine Bedeutungen zu erfassen, die jetzt eine größere Konzentration erfordern als im Unterricht im Klassenzimmer, fragen Sie sich vielleicht, ob das Online-Lernen den gleichen Grad an Wissensvermittlung bietet wie der Präsenz-Unterricht. Viele Nachrichtenprogramme stellen die Frage in einer etwas anderen Form, indem sie sich erkundigen, ob die Studierenden denselben Wert erhalten, wenn der Unterricht (wieder) online stattfindet. Aus der Perspektive des Wissenstransfers gibt es keinen signifikanten Unterschied.

Die Forschung

Es gibt viele Studien, die im Laufe der Jahre durchgeführt wurden und belegen, dass Online-Lernen genauso effektiv ist wie der traditionelle Frontalunterricht. Allerdings gibt es bei vielen dieser Studien auch einige Probleme, wie z.B. eine begrenzte Unterrichtszeit (siehe Figilio, Rush & Yin 2010, 4) oder der Umstand, dass die große Mehrheit der Analysierten (2 von 1000) nicht den gleichen Ausbilder für Online- und traditionellen Unterricht hatten (siehe US-Bildungsministerium 2009). Das noch größere Problem bei vielen Studien besteht darin, dass die Studierenden die Möglichkeit hatten, zu wählen, welchen Kurs sie belegen wollten – online oder traditionell, wobei viele Online-Kurse nur Aufnahmen des traditionell unterrichteten Kurses waren. Diese Situationen sind ein Thema für die vergleichende wissenschaftliche Forschung, aber auch für die Interaktion zwischen Studierenden und Dozenten sowie zwischen Studierenden und Studierenden.

Und nun zu Ihnen: Sie hatten Mitte des Semesters 2020, als der Unterricht auf ein Online-Format umgestellt wurde, nicht wirklich eine große Wahl Um die Kurse abzuschließen, mussten Sie online sein. Sollten Sie sich also vor allem angesichts der vielen einseitigen Studien oben um den Wissenstransfer sorgen? Nein.

Als der Wissenstransfer in einer Online-Studie (Weilage, 2012) evaluiert wurde, die die Probleme anderer Forschung (Länge der Unterrichtszeiten, Länge der Studienzeit, unterschiedliche Dozenten, Selbstauswahl) und die Internetverbindungen, die nur einen Bruchteil der heutigen Geschwindigkeiten aufwiesen, überwand, wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt. Die Online-Gruppe schnitt beim ersten Transfer-Test sogar besser ab. Und auch ein späterer Recall-Test zeigte keinen signifikanten Unterschied, wobei die Online-Gruppe insgesamt eine minimal höhere Punktzahl erzielte.

Ist es normal, das Gefühl zu haben, dass der persönliche Lernerfolg geringer ausfällt? Ja. Eine Frage in der Studie (Weilage, 2012, 209) zeigte, dass 45% der traditionell unterrichteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vergleich zu nur 24% der Online-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ihren Lernerfolg als überdurchschnittlich gut bewerteten. Die Befürchtung der Studierenden war, dass die Leistung auf Grundlage von benoteten Bewertungen sinkt, wenn sie mit einer neuen, technologisch basierten Lernumgebung konfrontiert werden. Wenn das vergangene Semester auch Ihre erste Online-Lernerfahrung war, haben Sie das vielleicht ähnlich empfunden, auch wenn die Forschung keinen signifikanten Unterschied bei den Lernergebnissen zeigt.

Weitere Vorteile

Die von mir durchgeführte Studie (2012) zeigte auch, dass Online-Lernen neben einer erhöhten Wissenstransferrate auch zu einer Verbesserung der Fähigkeiten der Lernenden in anderen Bereichen als im traditionellen Unterricht führen kann− basierend auf der eigenen Einschätzung der Studierenden und in Bezug auf die Form, in der das Online-Lernen stattfindet. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir zwar ermüdet sind, wenn wir uns auf mehrere Videos konzentrieren, um uns mit dem Kontext und dem Reichtum der Lernerfahrung vertraut zu machen, aber dies eine Fähigkeit ist, die uns auch in Nicht-Video-Umgebungen helfen könnte. Wenn Ihr Online-Unterricht etwa mehr Schreibarbeit erfordert, dann sollten wir die Gelegenheit nutzen, diesen Aspekt zu verbessern.

Die allgemeinen Probleme

Wie bei allen Dingen gibt es aber natürlich auch hier eine andere Seite der Medaille. Ein Thema, das häufig als Problem für die Online-Lernenden zitiert wird (Weilage, 2012), ist das Tempo, mit dem der Unterricht durchgeführt wird. So kann es in Online-Lernumgebungen passieren, dass der oder die Dozierende schneller voranschreitet als gewohnt. Dies liegt unter anderem am mangelnden Feedback seitens der Studierenden durch Körpersprache (weshalb es wichtig ist, immer die Kamera eingeschaltet zu lassen!) und am zörgerlichen Fragestellen − weil entweder andere Fragen gestellt werden oder das Gefühl besteht, dass das Thema schon zu weit fortgeschritten ist, um noch eine Frage zu stellen. Und dann sind da auch noch die persönlichen Herausforderungen, bei denen das Zuhausesein Konzentrationsprobleme verursacht (Abwasch, Wäsche, Internet, andere Personen im Wohnbereich etc.).

Zum Abschluss

Es gibt viele Vorteile des Online-Lernens und das Niveau des Wissenstransfers ist sehr positiv. Doch für viele von uns ist es an sich schon motivierend, während eines langen Unterrichtstages nicht auf einen Computerbildschirm starren zu müssen. Und es wird auch wunderbar sein, sich erneut in einer engagierten Lernumgebung wiederzufinden anstatt zum Beispiel am Küchentisch zu sitzen, während der Geschirrspüler mitten im Unterricht piept. Schlussendlich sind wir alle jetzt aber besser auf zukünftige Lernformen vorbereitet.


Quellen

Figlio, David, Rush, M., Yin, L. (2010). Is it live or is it internet? Experimental estimates of the effects of online instruction on student learning. Working Paper 16089. National Bureau of Economic Research. https://www.nber.org/papers/w16089.pdf

U.S. Department of Education, Office of Planning, Evaluation, and Policy (2010). Development, Evaluation of Evidence-Based Practices in Online Learning: A Meta-Analysis and Review of Online Learning Studies. Washington, D.C. 2010.

Weilage, Christopher (2012). Effektivität des medial vermittelten Wissenstransfers im Sprachtraining. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15065/1/Weilage_Christopher.pdf

Christopher Weilage Portrait
Über Prof. Dr. Christopher Weilage 60 Artikel
Christopher Weilage, Professor für Betriebswirtschaft und Business Communication, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen International Business und Kommunikation. Weilage absolvierte seinen MBA International Business an der Moore School of Business der University of South Carolina, USA und anschließend den IMBA International Business an der Helsinki School of Economics and Business in Finnland. Am Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache der LMU München promovierte der gebürtige US-Amerikaner zum Thema E-Learning.