Wirtschaftsstandort Deutschland – eine Arbeitswelt im Wandel

Work, (c) Todd Quackenbush

Starkes Qualifikationsniveau, hohe Arbeitsmotivation und zahlreiche Zuwanderungen aus allen Teilen der Welt – dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik geht es gut, trotz einiger wirtschaftlicher Unsicherheiten. Welche Auswirkungen haben also neue Formen der Vernetzung sowie eine neu heranwachsende Generation auf die Arbeitswelt?

Aktuelle Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Das deutsche Bildungssystem genießt international einen sehr guten Ruf. Deutsche Fachkräfte sind in aller Welt gefragt. Mehr als 80% aller Arbeitskräfte haben hierzulande eine Berufsausbildung oder einen Universitätsabschluss. Das Qualifikationsniveau ist hoch. Vor allem die Form des dualen Studiums wird weltweit geschätzt und übernommen. Qualifizierten Arbeitskräften wird nachgesagt, hochwertige und präzise Arbeit zu leisten – Kriterien, die für Unternehmen entscheidend sind. Die Nachfrage nach Arbeitskräften befindet sich deshalb auf einem guten Niveau, zahlreiche offene Stellen locken Jobsuchende an. Es gibt 51.000 mehr freie Stellen als im Jahr zuvor. Besonders in den Bereichen Metall, Verkehr, Logistik, Hotel und Gastronomie suchen Unternehmer motivierte Mitarbeiter. All diese Stellen zu besetzen ist bei dem vorherrschenden Fachkräftemangel in einigen Bereichen schwierig. Beispielsweise gilt der Beruf des Ingenieurs als der Mangelberuf Nummer 1 am Technologiestandort Deutschland. Gleichzeitig ergibt sich daraus aber eine gute Chance für internationale Fachkräfte, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Internationale Arbeitskräfte beeinflussen die Arbeitsmarktsituation

Deutschland erleichtert den Zugang zum Arbeitsmarkt für internationale Fachkräfte zunehmend. Mit der „Blauen Karte EU“  wird ausländischen Akademikern mit anerkanntem Hochschulabschluss der Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt vereinfacht. Allerdings ist die Beantragung der Blauen Karte EU an ein Bruttojahresgehalt von 47.600 Euro geknüpft. Somit profitieren viel mehr hochverdienende Fachkräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Medizin davon. Vielleicht ein Grund, weshalb der Erfolg bislang ausbleibt. Von den erweiterten rechtlichen Zuwanderungsmöglichkeiten machen hochqualifizierte Fachkräfte nur wenig Gebrauch. Laut Bundesinnenministerium nutzten nur 475 Akademiker die Möglichkeit, ein Sechs-Monats-Visum für die Arbeitsplatzsuche in Deutschland zu ergattern. Grund: Deutschland ist für viele ausländische Arbeiter nicht attraktiv genug. Einige Hürden müssen nämlich von internationalen Fachkräften zunächst überwunden werden. Die Sprachbarrieren und Vorurteile gegenüber den verschiedenen Ausbildungsformen sind hier nur zwei Gründe. Erschreckenderweise ist die Zahl der Wissenschaftler, die nach Deutschland einwandern sogar rückläufig. Aufenthaltstitel für qualifizierte ausländische Mitarbeiter werden weiterhin an die Ausländer verteilt, die bereits in Deutschland leben. Erfahrungen zeigen, dass beispielsweise Fachkräfte aus osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten weitestgehend problemlos im Arbeitsmarkt Fuß fassen.

Trotzdem bleibt der Wirtschaftsstandort Deutschland für viele Migranten und Migrantinnen eine gute Alternative. Hohe Wachstums- und Innovationspotenziale zeichnen zum Beispiel die Mehrheit von Gründerunternehmen aus. Und dabei hat knapp jeder Dritte Gründer einen Zuwanderungshintergrund. Internationale Arbeitskräfte tragen zur Vielfalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland bei. Die Bundesrepublik muss dementsprechend mehr tun, um attraktiv für internationale Fachkräfte zu werden – zum Beispiel durch die Ermöglichung einer fundierten Ausbildung oder einer verbesserten Integration in die hiesige Arbeitskultur.

Die Generation Y  ‒ Arbeitsplätze müssen sich anpassen

Nicht nur der Fachkräftemangel ist ein Grund, warum viele freie Stellen unbesetzt bleiben müssen. Die deutsche Bevölkerung wird  immer älter, immer weniger junge Menschen rücken nach. Das ist nicht nur ein Gesellschaftsproblem, nein, es nimmt auch Einfluss auf den Arbeitsmarkt. In den nächsten zehn bis 20 Jahren werden zahlreiche Stellen unbesetzt bleiben. Die neu heranwachsende Generation stellt völlig andere Anforderungen an den Arbeitgeber als Generationen vor ihr. Das A und O für den Erfolg eines Unternehmens ist es, die GenY und die damit einhergehenden Bedürfnisse und Erwartungen zu verstehen. Nur so kann sich ein Unternehmen vor künftigem Personalmangel schützen. Unternehmer müssen sich weiter Nachwuchskräfte sichern, indem sie konkrete Änderungen vornehmen. Die GenY legt hohen Wert auf Weiterbildung, Teamarbeit, ein gutes Betriebsklima, Gestaltungsfreiraum und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Es gilt all diese Faktoren zu berücksichtigen und in die Unternehmensstruktur aufzunehmen. Die Arbeits- und Führungskultur sollte dementsprechend in diesen Bereichen neu überdacht werden.

Vernetzung in der Arbeitswelt

Die Arbeitswelt befindet sich auch im technologischen Wandel. Mit den neuen Kommunikations- und Informationstechnologien entsteht eine völlig neue Form der Zusammenarbeit. Die sozialen Netzwerke sind das Schlagwort der Stunde. Ein Großteil der Arbeit wird über das Internet und seine Netzwerke organisiert. Weltweit arbeiten an den unterschiedlichsten Orten Teams online zusammen, treffen gemeinsam Entscheidungen und finden Problemlösungen – ohne sich jemals persönlich zu Gesicht zu bekommen. Social Media dominiert die alltägliche Kommunikation. Menschen sind über diese mobilen Kanäle permanent online und erreichbar. Diese Vernetzung wird das Prinzip der hierarchiefreien Selbstorganisation befördern. Nicht nur Mitarbeiter profitieren davon, auch die Kunden werden über Twitter, Xing, Facebook oder Google+ enger miteinander vernetzt sein. Sie stehen in ständigem Kontakt mit ihren Projektbeteiligten. Die räumliche Trennung stellt längst kein Hindernis mehr da. Wissen, Information und Können kann durch diese Form der Vernetzung unmittelbar an den Kunden weitergegeben werden.  Das führende IT-Unternehmen IBM ist ein Paradebeispiel für diese neuen Formen der Vernetzung. Mit dem „BeLiquid“- Programm haben sie ihr Beschäftigungsverhältnis auf eine Kernbelegschaft reduziert  und ergänzen diese mit einem großen Heer an freien Spezialisten, die global verteilt sind.  Das System ist an die sozialen Netzwerke gebunden. Prozesse können effizienter gestaltet werden und Unternehmen profitieren  von einem  größeren Wissensnetzwerk.

Der technologische Wandel des deutschen Arbeitsmarktes ist auch eine große Chance für internationale Fachkräfte. Doch, um Deutschland als Arbeitswelt für internationale Mitarbeiter attraktiver zu machen, muss die Struktur des Arbeitsplatzes, sowie die Führung und die Verteilung der Aufgaben neu überdacht werden, sodass am Ende beide Parteien davon profitieren.

Christopher Weilage Portrait
Über Prof. Dr. Christopher Weilage 60 Artikel
Christopher Weilage, Professor für Betriebswirtschaft und Business Communication, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen International Business und Kommunikation. Weilage absolvierte seinen MBA International Business an der Moore School of Business der University of South Carolina, USA und anschließend den IMBA International Business an der Helsinki School of Economics and Business in Finnland. Am Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache der LMU München promovierte der gebürtige US-Amerikaner zum Thema E-Learning.