Warum LINE und WeChat bereit sind, Facebook und WhatsApp abzulösen

LINE Advertising in China

LINE, WeChat, Kakaotalk – über eine Milliarde Nutzer haben die Apps für mindestens einen dieser drei Mobile Services aus Asien heruntergeladen. In den vergangenen Monaten betreibt vor allem die in Japan von dem koreanischen Unternehmen NAVER entwickelte App LINE eine dynamische Expansion außerhalb in Südost-Asien wie auch in Spanien, der Türkei, den USA und Lateinamerika. LINE plant seine Nutzerbasis im Jahr 2015 weltweit auf eine Milliarde Nutzer auszudehnen. WeChat, das vom chinesischen Unternehmen Tencent entwickelt und für dieses zu einem wichtigen Umsatztreiber geworden ist, findet bereits in den USA vor allem unter Auslandschinesen Beachtung.

Im Vergleich zu den im Westen bekannten Angeboten von Facebook, Instagram, WhatsApp und Snapchat sind LINE und WeChat mit einem zukunftsweisenden Funktionsangebot ausgestattet. Beide Apps sind im Ursprung Instant Messaging Apps mit ähnlichen Funktionalitäten wie WhatsApp. Nach einigen Monaten kam eine „Timeline“, die an Facebook erinnert, hinzu. Während WhatsApp und Facebook in der Weiterentwicklung von Services steckengeblieben zu sein scheinen, wurde rund um LINE und WeChat auf ausgesprochen dynamische Weise ein großes Ökosystem an eigenen Apps entwickelt bzw. hinzugekauft, die in das bestehende System integriert wurden.

LINE bietet heute nicht mehr nur die Möglichkeiten, über Instant Messaging, Video Chat oder Telefonat zu kommunizieren. Besonders attraktiv ist die Kommunikation über „Sticker“, die über einen Shop zum Teil kostenlos heruntergeladen werden. Hier finden sich nicht nur die eigenentwickelten LINE-Characters sondern auch beispielsweise Disney-, Star Wars- und Marvel- sowie von Nutzern selbst gestaltete Stickers. Es gibt LINE-Spiele, eine eigene Photo App, LINE Card, LINE SnapMovie, eine eigene Payment-Funktion und in einigen Ländern wurden bereits „Flash Sales“ durchgeführt, bei denen eine begrenzte Stückzahl von Produkten direkt über die App verkauft wurde. Darüber hinaus können „Accounts“ von Stars, Fußballvereinen wie Real Madrid und FC Barcelona abonniert werden. Die Marken nutzen die Möglichkeit der „Official Accounts“, um ihren Abonnenten Informationen und Gutscheine direkt aufs Handy zu schicken. Als zukünftige Services zeichnen sich bereits eine Bestellfunktion für Taxis sowie Music Streaming ab.

Das Geschäftsmodell von LINE erlaubte in Q3/2014 einen Umsatz von 192 Millionen US$ ‒ wobei sowohl die App als auch die Basisfunktionen wie Instant Messaging und Telefonieren kostenlos sind. Umsätze werden vor allem durch den Sticker-Shop, den Shop für Items bei Spielen, Official Accounts für Unternehmen sowie eine riesige Auswahl an Merchandising Artikeln mit den LINE Characters erzielt – Umsatzerlöse durch Werbung spielen kaum eine Rolle.

WeChat folgt dem Beispiel von LINE in China und bietet dort ebenfalls eine Vielfalt an Services an, die rund um die App entwickelt wurden und mehr oder weniger stark in diese integriert sind. LINE und WeChat ersetzen somit eine Reihe bestehender Apps bzw. integrieren neuartige, innovative Funktionen auf der eigenen Plattform. Gegen die Dynamik der Entwicklung beider Apps durch das koreanische bzw. chinesische Mutterunternehmen herrscht im Silicon Valley Stillstand. Vor allem LINE hat nicht nur die finanziellen Kapazitäten, sondern auch die Innovationskraft, die erste auch im Westen weitverbreitete App aus Asien zu werden – und früher oder später Facebook, WhatsApp und vergleichbare Apps abzulösen.

2012/13 war LINE übrigens eines der Business Projekte im Studiengang Master International Business an der MBS.

MBS Prof. Dr. Christian Schmidkonz
Über Prof. Dr. Christian Schmidkonz 43 Artikel
Prof. Dr. Christian Schmidkonz ist Studiengangsleiter des Programms "Master International Business" an der Munich Business School. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Conscious Business, Happiness at Work sowie Wirtschaft in China und Taiwan. Christian Schmidkonz hält ein Diplom in Volkswirtschaftslehre von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er studierte Chinesisch an der Fu Jen Universität in Taiwan und ist Alumnus des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Nach Stationen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung und bei der internationalen Unternehmensberatung Capgemini gewann er als Entrepreneur 2008 den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgeschriebenen Gründungswettbewerb „Multimedia“. Christian Schmidkonz wurde 2020 mit dem erstmalig vergebenen „MBS Teaching Award" ausgezeichnet.