Modernes Verhandeln – Trump und der Government Shutdown

MBS US Shutdown

In letzter Zeit werde ich regelrecht mit Fragen zum Shutdown der US-Regierung bombardiert, vor allem von Menschen, die die ganze Geschichte nicht so richtig fassen können.

Wir alle können in den Nachrichten verfolgen, wie sich die Angelegenheit entwickelt, und dabei mitzählen, wie viele Tage der Shutdown nun schon andauert. Und wir können ein paar Dinge über Verhandlungsführung lernen, die man im Seminarraum nur sehr schwierig nachstellen kann. Wenn man dem Shutdown zumindest irgendetwas abgewinnen kann, dann die Tatsache, dass wir ihn genau betrachten und darüber nachdenken können, wie wir als „Business Leader“ mit solch intensiven und anstrengenden Verhandlungen umgehen würden.

US-Präsident Trump hat klargestellt, dass er den Shutdown erst beenden wird, wenn die Finanzierung seiner Mauer an der Grenze zu Mexiko in Höhe von 5,7 Milliarden US-Dollar sichergestellt ist (Trumps ursprünglicher Plan, Mexiko für die Mauer zahlen zu lassen, scheint ja nicht aufzugehen). Die demokratische Opposition, die seit Anfang 2019 das Repräsentantenhaus kontrolliert, weigert sich jedoch, die Mauer zu finanzieren. Daher der Shutdown (um das Ganze noch komplizierter zu machen: während der Präsidentschaft von Barack Obama wurde ein Gesetz zur Errichtung eines 700-Meilen-Zauns an der mexikanischen Grenze verabschiedet und die Demokratin Nancy Pelosi, seit Januar Sprecherin des Repräsentantenhauses, unterstützte das Gesetz seinerzeit; das soll jedoch nicht Gegenstand dieses Blogbeitrags sein).

MBS US Shutdown

In der Vergangenheit hat Trump deutlich gemacht, dass er bei Verhandlungen die Gegenseite gerne im Unklaren lässt, dass er gerne Spannungen erzeugt, indem er mit hanebüchenen „Lösungen“ droht – und dass er seine Verhandlungspartner gerne aus ihrer Komfortzone lockt.

All das sind Verhandlungstaktiken, die Trump immer wieder benutzt, zu sehen in den NAFTA-Verhandlungen, in den Verhandlungen mit China, Nordkorea und dem Iran und bei vielen anderen Gelegenheiten. Oft gibt er irgendwann ein kleines Stück nach, zugunsten einer Lösung, die für alle akzeptabel ist – aber eben nicht immer. Außenstehenden bleibt nichts anderes übrig als darüber zu spekulieren, was sein nächster Zug sein wird. Vor kurzem hat er auf Twitter ein Zitat aus seinem Buch „Art of the Deal“ (1987, S. 63) gepostet: „The real excitement is playing the game!“

Aim High and Think Big

Trumps Buch „Art of the Deal“ von 1987 (S. 45-64) gibt uns einen Einblick in seinen Verhandlungsstil. Der erste seiner Verhandlungstipps ist, sich hohe Ziele zu setzen, Dinge groß zu denken (S. 46) und Statements abzugeben. Diesen Weg geht er auch jetzt mit der 5,7-Milliarden-Forderung für seine Mauer. Vielleicht hat er das bei seinem Treffen mit dem ehemaligen Präsidenten Carter gelernt, den er für den Job des US-Präsidenten zwar für nicht qualifiziert hielt, ihm aber zugestand, „den Mut und die Eier zu haben, Außergewöhnliches zu fordern.“ (Trump, 1987, S. 60).

Use Your Leverage

Die zweite Verhandlungstaktik, die bei Trump auffällt, ist eine, die er mit den Worten „Use Your Leverage“ beschreibt (Trump, 1987, S. 53). Er weist darauf hin, dass es wichtig ist, nicht verzweifelt zu wirken. Als Präsident der USA verfügt er eindeutig über die Macht und den Einfluss des Amtes. Trump wiederholt gebetsmühlenartig, dass er sich in der Shutdown-Frage keinen Zentimeter bewegen werde, lädt das Siegerteam der College-Meisterschaften im American Football ins Weiße Haus ein und serviert den Spielern Fast Food (wegen des Shutdowns gibt es im Weißen Haus weniger Küchenpersonal, um selbst zu kochen) – seiner Meinung nach genau das, was die Sportler essen möchten. Trump zeigt keinerlei Anzeichen dafür, dass er verzweifelt ein Ende des Shutdowns herbeisehnt. Im Gegenteil: Er hat Spaß dabei. Dazu passt auch die Aussage von Kevin Hassett, Wirtschaftsberater im Weißen Haus, der kürzlich betonte, die vom Shutdown betroffenen Staatsbediensteten würden eigentlich sogar von ihrem Zwangsurlaub profitieren; sie erhielten dadurch ein paar zusätzliche freie Tage, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen, und würden ihren Lohn ohnehin irgendwann rückwirkend ausbezahlt bekommen.

Fight Back

Ein dritte Taktik, die bei Trumps Verhandlungsstil auffällt, ist es, nicht zurückzustecken, sondern zurückzuschlagen. Trump behauptet immer wieder, dass man mit ihm sehr einfach gut zurechtkommen könne und er sehr gut zu Menschen sei, die gut zu ihm sind (Trump, 1987, S. 58). Er vertieft dieses Thema, indem er (S. 59) sagt: „Es gibt Menschen – ich nenne sie Verlierertypen –, die das Gefühl haben, etwas Großartiges zu leisten, wenn sie andere blockieren und ihnen im Weg stehen.“ In den Nachrichten erklärte Trump, die Demokraten würden die Grenzmauer allein wegen ihm nicht finanzieren. Da die Finanzierung in der Vergangenheit auch genehmigt worden war, würde die demokratische Opposition aus seiner Sicht jetzt nur versuchen, ihm Steine in den Weg zu legen – was seinen „Fight Back“-Verhandlungsstil rechtfertigen würde. Ein Video mit diesen Aussagen Trumps finden Sie hier.

Die Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir mit jemandem wie Trump in eine Verhandlung gehen, sind:

  1. Wie können verhindern, dass die Situation vollkommen eskaliert?
  2. Wie halten wir den oben beschriebenen Verhandlungstaktiken stand?
  3. Wie können wir aus den Verhandlungen aussteigen und dabei trotzdem unser Gesicht wahren? Bis eine Seite – oder sogar beide – die Folgen ihrer Position erkennt, kann es lange dauern; vor allem, wenn keine der beiden Parteien in der Lage ist nachzugeben.

Während die Shutdown weitergeht, achten Sie auf die Verhandlungskniffe, die eingesetzt werden, und überlegen Sie, wie Sie darauf reagieren würden. Sei es, dass jemand bei einer Verhandlung Schokoriegel verteilt (was Trump bei seinem ersten Gespräch mit Nancy Pelosi über die Mauer an der Grenze zu Mexiko nachweislich tat), oder dass jemand seine Position und Autorität nutzt, um Sie herumzuschubsen.

Christopher Weilage Portrait
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Christopher Weilage, Professor für Betriebswirtschaft und Business Communication, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen International Business und Kommunikation. Weilage absolvierte seinen MBA International Business an der Moore School of Business der University of South Carolina, USA und anschließend den IMBA International Business an der Helsinki School of Economics and Business in Finnland. Am Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache der LMU München promovierte der gebürtige US-Amerikaner zum Thema E-Learning.