Neue Anforderungen an die Customer Experience des europäischen Bekleidungshandels während COVID-19

Young girl shopping with bags and cell phone in her hands

„Digitale Produkt-, Service- und Erlebniswelten führen dazu, dass die Unternehmen erfolgreich sein werden, die ein hohes Maß an Kundenverständnis und eine Digital Customer Journey aufweisen.“ (UNITY AG)

Ob diese Erkenntnis auch im europäischen Bekleidungshandel angekommen ist, untersuchte MBS-Bachelor-Absolventin Anna Liuzzo im Rahmen ihrer Abschlussarbeit rund um das Thema Customer Experience. Im Blogartikel geben Anna und ihre Betreuer Prof. Dr. Hans H. Jung und Prof. Dr. Alexander Suhm Einblicke in das Forschungsthema und leiten wichtige Erkenntnisse für das Verfassen einer Abschlussarbeit ab.


COVID-19 als Brennglas für die digitale Transformation von Branchen

Die einzelnen Kategorien des stationären Handels sind unterschiedlich stark von der Coronapandemie und den einzelnen Maßnahmen betroffen. Besonders stark negativ beeinflusst ist hierbei der Bekleidungshandel, der während des ersten Lockdown im März und April 2020 deutliche Umsatzeinbußen von bis zu 75% zu bewältigen hatte. 

Gleichzeitig entwickelt sich gerade in Zeiten von COVID-19 die Digitalisierung der Customer Experience zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Bekleidungseinzelhandel. Besonders während des ersten Lockdowns zur Bekämpfung der Pandemie hat sich gezeigt, dass nicht alle Betriebe und Personen im Einzelhandel kurzfristig mit digitalen Lösungen aufwarten konnten, um Kundenerwartungen zu erfüllen. „Die Pandemie hat eine Veränderung der Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher bewirkt – was sonst vielleicht fünf Jahre gedauert hätte, ist in fünf Monaten passiert.“ (White, 2020).

Umsatzveränderung im März/April 2020 im Vergleich zum Vorjahr in verschiedenen Industrien (Quelle: Gassmann, 2020)

Empirische Analyse als Forschungsansatz

MBS-Bachelor-Absolventin Anna Liuzzo wählte als Vorgehensweise zur Bearbeitung der Themenstellung, betreut von MBS-Professor Dr. Hans H. Jung und MBS-Professor Dr. Alexander Suhm, ein empirisches Forschungsdesign. Im Zentrum der Untersuchung steht die Bewertung der Customer Experience, die der europäische Bekleidungseinzelhandel in seinen physischen Outlets oder via digitaler Touchpoints bietet. Dazu bediente sich Anna Liuzzo zweier empirischer Analysen: Zum einen untersuchte sie die Customer Journey mittels einer Konsumentenbefragung, deren Ergebnisse in Form einer Touchpoint Map abgebildet werden. Zum anderen führte die Bachelor-Alumna Experteninterviews mit ausgewählten Bekleidungseinzelhändlern, um zu überprüfen, ob die Anforderungen der Konsumenten entlang der Customer Journey von den Angeboten der ausgewählten Bekleidungsunternehmen erfüllt werden. Die Gegenüberstellung der Kundenerwartungen und der Unternehmensperspektiven identifiziert zahlreiche strategische und operative Lücken.

Masterplan of Action für die digitale Transformation der Customer Experience im Bekleidungshandel

In einen Masterplan of Action fasst die Arbeit alle neuen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel zusammen. Die im Masterplan of Action enthaltenen strategischen Optionen und Maßnahmen zielen darauf ab, ein nahtloses Kundenerlebnis zwischen Mobile-, Online- und In-Store-Shopping zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl von Best Practice-Lösungen aus anderen Branchen oder von Innovator*innen der Bekleidungsbranche recherchiert, um Marken und Einzelhändlern dabei zu unterstützen, bessere Kundenerlebnisse zu gestalten. Die dargestellten digitalen Technologien können die Übersetzung von Informationen und Verhaltensweisen in Daten ermöglichen, die es Einzelhändlern wiederum erlauben, Angebote in Echtzeit auf ihre Kund*innen zuzuschneiden, wodurch ein reichhaltigeres Kundenerlebnis durch die Bereitstellung von Inhalten im Kontext entsteht.

Was wir von dieser Abschlussarbeit lernen können

Anna Liuzzos Beitrag bietet einige wichtige Ansatzpunkte für Praxis und Forschung im europäischen Bekleidungshandel:

  1. Die Relevanz alternativer Perspektiven in einer empirischen Analyse
    Die Durchführung von Interviews mit unterschiedlichen Marktteilnehmer*innen ermöglicht es, Kunden- und Unternehmensperspektive direkt gegenüber zu stellen. Das Gegenüberstellen der verschiedenen Perspektiven deckt Lücken und Herausforderungen auf, die es weiter zu erforschen gilt, und liefert Ideen unterschiedlicher Sichtweisen, was die Denkweise öffnet und die Lernreise anregt.
  2. Kundenperspektive zuerst erfassen
    Wird die Kundenperspektive zuerst ermittelt, können Interviews mit den Unternehmen dadurch angereichert werden, dass aktuelle und bisher nicht identifizierte Kundenanforderungen direkt thematisiert werden.
  3. Zukunftsfähige digitale Technologien identifizieren
    Von zentraler Bedeutung ist das Verständnis für zukunftsfähige digitale Technologien. Mit welchen digitalen Lösungen lassen sich künftige Anwendungen realisieren, welchen Nutzen schaffen diese und welche Kund*innen werden diese nutzen? Das Spektrum der in dieser Arbeit betrachteten digitalen Lösungen schafft zahlreiche Optionen für digitale Customer Touchpoints.
  4. Empirische Analyse erfordert einen strukturierten Plan
    Um sicherzustellen, dass der empirische Teil der Forschung durchdacht und in Bezug auf das Forschungsziel geplant ist, ist es einfacher, die gesammelten Ergebnisse später zu analysieren. Jeder Teil der empirischen Forschung muss unmittelbar mit den Forschungsfragen verknüpft sein. Außerdem hilft eine gut geplante Methodik, sich bei der Durchführung der qualitativen oder quantitativen Forschung sicherer zu fühlen.
  5. Eigene empirische Befunde mit State of the Art der Forschung vergleichen
    Werden die eigenen empirischen Befunde mit dem aktuellen Stand der Forschung kontrastiert, lassen sich weitere Leitfragen zielführend beantworten: Was stimmt überein und was nicht? Erst das Verbinden von Theorie und Praxis macht es möglich, die eigene Studie ganzheitlich zu betrachten.
  6. Jedes Gespräch und jede Beobachtung zählt
    Nur wer seine oder ihre Perspektive erweitert, wächst über sich hinaus: Aktuelle Nachrichten über das Forschungsthema lesen, RSS-Feeds und Blogbeiträge nutzen, mit möglichst vielen Menschen über das Thema reden sowie die eigene Umgebung mit einbeziehen und neu betrachten. Wer über das Kernthema der Forschung hinaus denkt, kann sinnvollere Verbindungen zum Forschungsgegenstand herstellen.

Quellen:
Gassmann, Michae (2020): Nur das Weihnachtsgeschäft kann den Handel noch retten. In: Welt, 15.07.2020. (Abrufdatum: 26. Januar 2021)
White, Sharon (2020): COVID speeds up digital transformation by 5 years. (Abrufdatum: 26. Januar 2021)

Für Inhalt und Form des Artikels sind die Autor*innen verantwortlich. 

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Über Anna Liuzzo 2 Artikel
Anna Liuzzo absolvierte von 2017 bis 2021 ihren Bachelor in International Business an der Munich Business School. Sie arbeitet freiberuflich bei der Boutique-Agentur Magari International in den Bereichen Marketing, PR und Social Media.
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Über Prof. Dr. Hans H. Jung 50 Artikel
Hans H. Jung ist seit 2012 Professor für das Lehrgebiet Marketing an der Munich Business School. Nach seiner Promotion war Jung mehrere Jahre als Manager und Berater für Premium-Automobilhersteller im In- und Ausland tätig. Seit 2011 arbeitet er als Senior Manager bei der Managementberatung UNITY AG.
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Über Prof. Dr. Alexander Suhm 4 Artikel
Prof. Dr.-Ing. Alexander Suhm studierte Allgemeiner Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Karlsruhe und promovierte 1993 zu neuen Produktentwicklungsmethoden. Er wechselte als Managementberater für die Automobilindustrie und den Maschinen- und Anlagenbau zur Softlab GmbH (BMW Group) und verantwortete dort den Bereich Automotive Management. Von 2001 bis 2007 war er Geschäftsführer der Managementberatungsgesellschaft Nexolab GmbH (BMW Group). 2007 wechselte er dann als Partner im Bereich Automotive zur UNITY AG. Bis 2017 war er neben seiner Verantwortung als Niederlassungsleiter in München in der Geschäftsführung der österreichischen und chinesischen Landesniederlassung tätig. Heute arbeitet er in Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten, coacht Start-ups und lehrt als Dozent an der Munich Business School.